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Schülerinnen unserer Schule (2A, 1A) beteiligten sich an einer Arbeit zum Thema "Spiele im Wandel der Zeit", die in den Mitteilungen des Vereins zur Förderung der internationalen Begegegnungen der Sing- und Spielgruppe Hartberg 27. Folge Jahrgang 1999, veröffentlicht wurde.

Diese Arbeit wird hier vorgestellt:

Das Spiel - der spielende Mensch (homo ludens)

Spielen ist ein wichtiger Teil des menschlichen Lebens auf allen Altersstufen; ohne Spiel verkümmern Phantasie und soziale Entwicklung (das hat einen Bezug zur hohen Selbstmordrate Jugendlicher!!). Das Wort Spiel kommt von "spel" oder "spil" und bedeutet im Althochdeutschen Bewegung oder schreitenden Tanz und ist Ausdruck eines gesunden, fröhlichen und harmonischen Menschen. Wie dieser im Mutterleib seine biologische Entwicklung nachvollzieht, tappt er nach der Geburt durch die Entwicklungsstufen der Menschheit, baut Erd- und Holzburgen, übt sich im Ritterspiel und erfindet die Welt neu.

In unserer Zeit kommt diese Spiel- und Erlebnisfreudigkeit zu kurz, die Kinder leiden daran: Die Kleinfamilien vermindern die Spielgefährten, die verschulte Kindererziehung schmälert die Phantasiefreudigkeit und die Gestaltungsmöglichkeiten der Kinder, Fernsehen und Werbung überfluten uns mit zuviel Bildern, die Auflösung der Familie und die entstehenden Sozialformen (Arbeitswelt, Massentourismus, einseitige Information, Kontaktmangel mit anderen Menschen und daraus fehlende Erfahrungen mit Konfliktbewältigung) lassen zuwenig Raum für wichtige soziale Erfahrungen. Es gibt zwar eine Menge Bücher über Spiele und Spielformen, lebendig werden viele Spiele aber nicht, weil die Voraussetzungen fehlen. Deshalb also dieser Gedankenanstoß: Kinder und Erwachsene, spielt mehr!

Historische Entwicklung einiger Spiele

Soweit wir in der Geschichte zurückforschen können - auf Höhlenzeichnungen, bei Grabbeigaben, einzelnen Funden, aber auch in Mythen, Märchen und Fabeln, alten Schriftaufzeichnungen, finden wir von Anfang an Hinweise auf spielende und tanzende Menschen. Viele unserer heutigen Spiele gehen auf Reiche und Länder zurück, deren Kulturen sehr hoch entwickelt waren wie in Ägypten, Persien, Mesopotamien, Indien, China, Griechenland und die alten Indianerreiche, manche Wurzeln sind sakral-kultischen Ursprungs. Das "Königliche Spiel von Ur" ist, abgesehen von Kinderspielformen, wahrscheinlich das älteste Spiel für Erwachsene, das wir kennen. Auf Wandmalereien und in Totenbüchern des Alten Ägypten wird es mit dem Namen "Senet" oder "Se'nt" bezeichnet. Es war ein Brettspiel und hat viel Ähnlichkeit mit dem bekannten Back Gammon. Brett und Spielsteine waren kunstvoll gestaltet, auch die Würfel fehlten nicht. Im Grab Tutenchamuns (1 347 v. Chr.) im Tal der Könige und im Palast der Stadtkönige der frühphönikischen Stadt Kumidi im Libanon (1400 v. Chr.) finden wir es. Die Araber brachten das Spiel nach Spanien; in Frankreich heißt es Trick-Track und Go (Koichi Masukama); ab dem 11. Jhd. gibt es Berichte über"Shogi", das japanische Schachspiel, das es dort in verschiedenen Formen gab. Schach, Shogi, Go und Back-Gammon waren eher Spiele gehobener Schichten, des Adels, der Reichen und Mächtigen (homo ludens IV). In der Stadt Kumidi im Libanon wurden Bälle, Rasseln, Puppen und Spieltiere als Grabbeigaben gefunden. Spiele mit bestimmten Knöchelchen (Astragale) waren sehr beliebt und Früchte, besonders Nüsse, sowie Steine eignen sich sehr gut für Rate- und Würfelspiele. Der Kreisel war schon im 13. Jhd. vor Christus bekannt, Homer erwähnt ihn in der Illias. Bildliche Darstellungen zeigen uns, daß er in der griechischen Mythologie besondere Bedeutung hatte, Eros wird mit kreiselspielenden Kindern dargestellt. Selbst Wettkämpfe wurden mit Kreiseln ausgetragen.

Plato berichtet in seinem "Phaidros", daß Brettspiele vor allem aus Ägypten nach Griechenland gekommen seien, wo zur Zeit des Ramses I., (1308 - 1306 v. Chr.) Arbeiter in die Ziegel des Daches des Tempels von Kurna Diagramme von sieben Brettspielen eingeritzt haben, wohl, weil sie sich in den Arbeitszeiten dem Spiel- betrieb hingaben. Besonders Würfelspiele waren bei den Griechinnen und Römerinnen beliebt, schon die Ägypter hatten dieses Glücksspiel gekannt. Die WETTE AUF DEN SIEGER hat sich bis heute erhalten oder vielleicht auch noch ausgeweitet; Pferderennen, Hahnen- und Hundekämpfe waren ein beliebtes Vergnügen der ehemaligen Khmer wie dann auch im römischen Reich und bis heute vor allem in den romanischen und iberischen Ländern. Besonders Kelten und Germanen waren dem Glücksspiel verfallen und nicht selten setzten versessene Spieler sich selbst als letztes Pfand ein und wanderten in die Sklaverei. Jojo kannten die Ägypter, Reifen treibende Kinder sehen wir auf griechischen Vasen und Tellern abgebildet, in antiken Berichten gibt es Klagen über Lärmbelästigung durch Ball spielende Kinder und Jugendliche. Also: Nichts Neues unter der Sonne!

Einige einfache Nüsse-Spiele (nuces castekkatae) führe ich an: Vier Nüsse werden zu einem Türmchen aufgestellt, so, daß auf dreien die vierte Nuß liegt. Jeder Spieler erhält drei Nüsse und soll aus einer bestimmten Entfernung den Turm treffen. Die getroffenen Nüsse darf er behalten. Sieger ist, wer letztlich die meisten Nüsse hat.

NÜSSEROLLEN: Jeder Spieler erhält drei Nüsse. Die Spieler lassen die Nüsse über eine schiefe Ebene (Stäbchen, Brettchen) rollen. Jede getroffene Nuß darf man behalten; ähnlich ist ja auch unser Ostereierrollen oder das Ostereierpecken. Manche Spiele sind jahreszeitlich bedingt, wie das auf ein Loch zu Rollen der "Murmeln", der kleinen Ton- oder Glaskugeln, oder das Anfertigen von "Wispeln", (Pfeiferln) dann, wenn die Weiden austreiben, das Anfertigen von Hollerbüchsen, wenn gebrechelt wurde, denn dann hat man das Werg für die Stoppeln bekommen; Koka taura heißen die selbst gebastelten Kindertrompeten im Baltikum, die beim Rinderweiden gebastelt werden. Und Drachensteigen ist nur sinnvoll, wenn Wind weht; am besten also im Herbst.

Das ORCA-SPIEL: Aus einer bestimmten Entfernung soll man ein Gefäß (Topf, Schuh, Schachtel) treffen. Wer am häufigsten trifft, ist Sieger.

Bei den "klassischen" BRETTSPIELEN stehen sich zwei Parteien gegenüber und es entscheiden Taktik und Strategie über den Sieg; Würfel oder Karten gibt es dabei nicht. Mühle und Dame gehören dazu. Etliche "moderne" Brettspiele, wo gewürfelt wird und der Spieler mit Kegeln, Steinchen oder Plättchen über Hindernisse zu seinem Ziel gelangen muß, haben ihre Vorläufer in alten Zeiten.

Das Gänsespiel: Kupferstich, Deutschland, 17. Jahrhundert. Sammlung Glonnegger.

Eine systematische Einteilung der Spiele ist schwierig, weil viele Gründe ein Spiel anregen können: ein bloßer Zeitvertreib (Schaukeln, Seifenblasen), Vergnügen, Üben unterschiedlicher Geschicklichkeiten, Üben von Verhaltensformen, geistiges oder körperliches Kräftemessen, Ausdauer, Spiele zur Gewinnung oder Behauptung einer sozialen Stellung (Sieg oder Niederlage), Glücksspiele (Würfel, Karten, Losen) und Gewinnspiele, die heutzutage rasant zunehmen (selbst Einkaufen kann zu einem Gewinnspiel werden!). Viele sportliche Wettkämpfe sind auf Gewinn angelegt, wobei nicht immer der aktive Sportler gewinnt, sondern die Veranstalter, Wettenden oder Werbeträger.

Nicht nur die Germanen waren Hassardspieler; im indischen Epos Mahabinarata (4.Jhd.v.Chr. bis 4. Jhd.n.Chr.) wird um Königreiche gewürfelt und im römischen Reich waren Glücksspiele eine große Verlockung. In Ritterkreisen und in Klöstern wurde eifrig gespielt, das Würfeln der Landsknechte ist sprichwörtlich und das Frankenburger Würfelspiel ist die Verkehrung der Spielfreude zur teuflischen Bösartigkeit. Rigorose Verordnungen und Verbote der Glücksspiele haben diese nicht aus der Welt schaffen können.

Das Brettspiel FUCHS UND HENNE gehört zur Gruppe der BELAGERUNGSSPIELE; eine kleine bewegliche Minderheit muß sich gegen eine Übermacht behaupten, wobei die kämpfenden Parteien symbolisch dar- gestellt werden. Bei "Fuchs und Henne" gibt es zwei Spieler, einer hat 13 "Hennen" (Kegel, Steinchen, Bohnen), der andere ist der "Fuchs". Die Hennen und der Fuchs stehen sich auf einem vorgezeichneten Feld gegenüber (siehe Skizze). Der Fuchs soll gefangen werden. Die Spieler ziehen die Figuren abwechselnd, wobei der Fuchs in jede Richtung ziehen kann, die Hennen nur vorwärts oder seitlich. Gelingt es dem Fuchs, eine Henne zu überspringen, so ist sie gefangen und aus dem Spiel.

Das HALMASPIEL wird dem englischen Chirurgen Howard Monks zugeschrieben, der es 1883 vorgestellt hat. Es hat viele Varianten gefunden.

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Das MÜHLESPIEL war schon in Ägypten bekannt. Auf Dachziegeln des Tempels von Kurna (etwa 1400 v. Chr.) sind Spielfelder des Mühlespieles eingeritzt; Funde aus der Bronzezeit (2000 v. Chr.) in Irland und in China (500 v. Chr.) bezeugen uns seine weite Verbreitung. Durch Setzen, Ziehen und zum Schluß Springen sollen drei Steine in eine Reihe gebracht werden, was die Entfernung eines gegnerischen Steines vom Spielbrett ermöglicht. Begonnen wird bei uns mit 9 Steinen, die Spieler setzen abwechselnd. Es gibt verschiedene Spielbrettformen;

Das DAMESPIEL entstand vermutlich um 1100 n. Chr. in Spanien oder Südfrankreich. Auch davon gibt es etliche Abwandlungen, das "althochdeutsche Damenspiel" mit 2x 16 Steinen, die "Türkische Dame" oder die "Dame Internationale", die zu Europa- und Weltmeisterschaftsehren aufgestiegen ist. Bei der bei uns gebräuchlichen Form wird auf 8x8 = 64 Feldern des Schachbrettes gespielt; zwei Spieler mit je 12 Steinen besetzen die dunklen Felder des vor ihnen liegenden Spielbrettes. Die Steine dürfen nur diagonal gezogen werden und schlagen beim Überspringen die feindlichen Figuren. Ziel ist die gegenüberliegende Brettrandlinie, denn dort wird die Figur zur Dame, die nun vor und zurück ziehen und springen kann. Es gibt auch hier verschiedene Regeln.

Nach persischen Quellen ist Indien das Ursprungsland des SCHACHspieles. Bekannt ist die Weizenkornlegende: Der König Behram von Indien will dem Brahmanen Sissa für das Erlernen des Schachspieles danken und gibt ihm einen Wunsch frei. Dieser schlägt vor, auf jedes Feld die verdoppelte Anzahl von Weizenkörnern als am vorhergehenden zu legen, also 1, dann zwei, dann 4, dann 8 usw. Der König muß aufgeben, denn soviel Weizen hat er nicht. Wahrscheinlich hatten die ursprünglichen Figuren keine Namen, es wurde ihnen eine bestimmte Funktion zugeteilt. Sicher sahen die Urfiguren auch anders aus, waren Elefanten oder Moschusochsen oder anderes. Entscheidend für das Spiel sind die Funktionen der Figuren. Das chinesische Jo-Spiel könnte ein Vorläufer des Schach gewesen sein, dort gibt es auch eine das Spiel entscheidende Figur auf jeder Seite, Eule und Fisch, und es wird auf den Feldern eines Schachbrettes gespielt. Sicher sind die Figuren sehr späte Elemente des Spieles, veränderbar und auch regional unterschiedlich; vielleicht waren es am Anfang einfache geometrische Figuren. Dass das Spiel nicht eine allmähliche Entwicklung machte, sondern nach mathematischen Gesetzmäßigkeiten "gebaut" wurde, versuchen einige Schachwissenschaftler nachzuweisen (Johannes Kohtz, 1843-1918, Das magische Quadrat von Safadi). Das "natürliche Quadrat der 8" entsteht aus der einfachen Nummerierung und zwar in antiker Schreibweise von rechts nach links. Dann ergeben sich 32 Zahlenpaare aus den quer gegenüberliegenden Zahlen die sich alle auf 65 ergänzen (1 +64, 2+63, usw.) Die beiden Diagonalen ergeben die Summe von 260. Wenn die 32 Zahlenpaare mit Linien verbunden werden, entsteht eine Strahlenfigur von geometrischer Schönheit, die eine Draufsicht auf eine Pyramide sein könnte, die über dem Brettmittelpunkt (28,29,36,37) entsteht. Im "magischen Quadrat von Safadi" kann man mit jeder Figur nach Zügen die Summe von 260 erreichen, ganz gleich, von welchem Feld man zu ziehen beginnt. In der Antike ordnete man die verschiedenen magischen Quadrate (3x3, 4x4 bis 9x9) bestimmten Planeten zu; 7x7 ist z.B. die Venus, 3x3 der Saturn, 8x8 der Merkur. Danach ergeben sich sehr interessante Kombinationen. Auch der Rang der Figuren ist sehr gut erdacht und deutbar: der König darf alle Felder be- treten, ihm darf niemand zu nahe komr-nen, er ist zwar eher schwer beweglich, darf aber nicht geschlagen werden; die Dame ist die schnellste und gefährlichste Figur, die Bauern dürfen nur Schritt für Schritt in eine Richtung ziehen, erreichen sie aber das Ziel, sind sie bis eine Dame wert usw. "Alle Bewegungen sind nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet" (Sapientia 11,21)

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das natürliche Quadrat der 8 & das magische Quadrat Safadi

Die ältesten Abbildungen von Menschen zeigen Tänzer der Steinzeit in den Höhlen in Südfrankreich und in Spanien; was sie taten war offensichtlich ein Jagdzauber, denn sie trugen Tiermasken. Aus der E3ronzezeit stammen Darstellungen von Kettentänzen die auf Steinplatten in Schweden eingeritzt wurden; solche gibt es auch in den italienischen Alpen und auf attischen Gefäßen sehen wir ebenso Tänzer in einer Reihe. Von den etruskischen Wandmalereien in Ruvo (4.Jhd.v.Chr.) führt der Weg direkt zu den noch heute getanzten Reigentänzen und auch zu den Kindertänzen, den getanzten Balladen und Kinderspielen. KETTENTÄNZE UND REIGEN sind im Brauchtum mancher Völker erhalten als Sommer-Winter-Spiele, Schwert- oder Reiftänze; in schwedischen Familien hat sich ein Tanz erhalten, den die Hausbewohner, sich an den Händen haltend singend um den Christbaum und durch die Räume des Hauses tanzen (R.Wolfram). Der Kolo im Balkan, der baskische Arrecu, die provencalische Farandole, bretonische und irische Kreis-und Reihentänze, der "Mittsommertanz" in Schweden und getanzte Prozessionen in Spanien seien hier erwähnt, auch tanzende Wallfahrer, die den Weg oder Teile rhythmisch bewältigen, oder die Hora in Norwegen und die Balladentänze auf den Färöer Inseln. Der "Schwabentanz", eine heute noch bekannte Kettentanzform, wird schon auf einem Fresco des Rathauses in Siena (13.Jhd.) dargestellt; er gehört zu jener Gruppe der "Schwellformen", wo der Letzte in der Kette einen weiteren Partner aus den Umstehenden zum.,Mittun auffordert. Sei unseren Einzügen und Auftänzen finden wir Figuren (Andreas-Kreuz, Schlange oder Spirale," Sunn-obi-zuckn", das ist unter den erhobenen Händen einer Reihe durchgehen), die einer Deutung entgegenkommen, auch wenn sie meist ohne solche Rückbesinnung gestaltet werden. Wenn im Spiel eine Königstochter besungen wird, die im Turm gefangen ist und befreit werden soll oder in einem Schloß verzaubert oder gefangen sitzt, dürfte es über die Märchen Verbindungen zu Mythen der Vorzeit geben. Die Reigenlieder von den drei Jungfrauen, die Weiden spinnen und den Himmel aufschließen können, haben Spuren von früheren Glaubensvorstellungen der drei schicksalbestimmenden weiblichen Gottheiten in sich. Das Spiel "Die Goldne Brücke" ist greifbar ein Relikt alter Glaubensvorstellungen und symbolisiert wohl den Weg ins Jenseits.

DIE GOLDENE BRÜCKE:

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Die zwei größten Kinder bilden mit gefaßten erhobenen Händen eine Brücke, ein Tor; die Kette der anderen geht singend darunter durch. Durch Absenken der Arme wird ein Spieler (meist der letzte) gefangen. Er wird gefragt, hinter welchen der Torbildner er sich stellen will. Die haben verschiedene Namen; Apfel und Birne, Sonne und Mond, Hansel Lind Gretel; heimlich aber haben sie für sich ausgemacht, daß der eine Himmel (Engel) der andere Hölle (Teufel) ist. Zuletzt kämpfen die zwei so entstandenen Reihen gegeneinander (Ziehen, Schieben oder ähnliches). Oder die Gefangenen werden auf den gefaßten Händen der Brücke gewogen, am Ohr gezupft oder am Kinn gekitzelt; dabei darf man nicht lachen oder reden. Das ist die letzte Möglichkeit für ein Teuferl in den Himmel zu kommen. Zum Wiegen gibt es folgenden Spruch:

Pantoffel, Pantoffel, der Himmel (oder die Hölle) ist offen, die Hölle (oder der Himmel) ist zu, ein Engerl (Teuferl) bist du.

Das "Brücke-Spiel" ist eines der ältesten Singspiele und war überall in Europa verbreitet. Es wurde von Erwachsenen gespielt und war unter vielen Namen bekannt: "Laßt die Räuber durchmarschieren", "Machet hoch das Tor", "Der Letzte muß gefangen sein" u.a.. Ich stelle noch eine steirische Variante vor; sie wird in dem Büchlein "Der Letzte muß gefangen sein" beschrieben:

Alle singen:

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Die Brückenkinder, die zugleich auch die Torwächter darstellen, beginnen den Dialog, der gesprochen wird:
Wächter: "Wo wollt ihr hin?"
Schar: " Wir worin lange Brucken fahrn!"
Wächter: "Die Brucken ist gebrochene
Schar: "Wir worin sie wieder machen!"
Wächter: "Mit was, mit was, mit was?"
Schar: "Mit lauter Gold und Edelstein!"
Wächter: "So fahrt hinein, so fahrt hinein. Der Letzte muß gefangen sein!"
Nun heben die Wächter die Hände: Das Brückentor ist offen, die Schar zieht hin- durch.

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Beim letzten Wort des Liedtextes "sein" senken die Brückenwächter die Hände über dem Kind, das gerade durch das Tor wollte. Flüsternd wird es gefragt: "Willst du zur Sonne oder zum Mond?" Es muß sich entscheiden und hinter dem betreffenden Torwächter anstellen, ohne zu wissen, ob es hinter dem Engel oder dem Teufel steht (s.Foto). Dann geht das Singen und Tanzen weiter, bis alle gefangen sind.

Bild aus "Der Letzte muß gefangen sein".

Ähnlich ist "Der grüne Wagen" ("Der goldne Wagen", "Machet auf das Tor"):

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Die Kinder bilden einen Kreis, Hände sind gefaßt und zu Toren hochgehoben, Blick zur Kreismitte. Ein Kind ist im Kreis und geht im Uhrzeigersinne durch die Tore, während die anderen Kinder singen. Bei +) wird der Name eines Kindes aus dem Kreis genannt. Dieses Kind schließt sich nun dem gehenden Kind im Kreis an; das Spiel geht an, bis sich der Kreis auflöst. Auch eine Mischform "Brückenspiel": "Machet auf das Tor" ist bekannt (Ilse Strauß in Graz, Johanna Mahacek in Kaindorf)

Noch ein Beispiel (aus"Der Ringelwurm"):

DIE SCHWARZE KÖCHIN

Die Kinder stehen im Kreis, ein Kind geht um den Kreis und beginnt zu fragen, die Innenstehenden antworten. Bei "Du bist schön und du bist schön und du die Allerschönste" berührt das gehen Kind drei Kinder im Innenkreis; das dritte schließt sich ihm an, das Spiel beginnt wieder. Das letzte Kind ist "die schwarze Köchin": "Ja, ja, ja! Da ist sie ja, da ist sie ja! Pfui, pfui, pfui!" Dafür darf sie nun das neue Spiel beginnen.

KARTENSPIELE sind den Glücksspielen zuzuordnen; sie setzen Kombinationsgabe und Merkvermögen voraus. Rot und Schwarz sind nicht zufällig Farben im Spiel geworden. Wie in den Kinderspielen, die oft von Erwachsenen fallen gelassene Wünsche und Träume sind, spielen auch hier Symbole stark mit. Rot steht für Leben, Schwarz für den Tod. Die Kinder spielen SCHWARZER PETER; es ist die Unglücksfarbe im Spiel. Manchmal wird der Spielverlierer auch angeschwärzt.

NACH- UND VORAHMENDE SPIELE

Wenn Mädchen mit Puppen spielen, dann ahmen sie nicht nur nach, was sie von erwachsenen Frauen sehen, sie ahmen auch schon eine ihrer späteren Rollen im Leben vor, ähnlich auch die Buben, die mit Schiffen, Baukästen, Holztieren, Puppen, die Möglichkeiten ihres zukünftigen Lebens vorahnen. Das Spielzeug ist dabei nicht entscheidend, ein Stück Holz kann Puppe, Flugzeug oder ein Tier sein. Kinder spielen dabei sich selbst, nicht wie Schauspieler, die eine bestimmte Rolle übernehmen. Kinder spielen VERSTECKEN mit anderen Kindern, die Erwachsenen vor anderen Erwachsenen!

AUSZÄHLREIME sind zur Zuordnung der Spieler zu Gruppen notwendig. Wer zu wählen beginnt, kann gelost werden, oder mit Fußlängen erschritten werden: Die zwei Anführer gehen ab einer gewissen Entfernung abwechselnd aufeinander zu; wer den letzten vollen Fuß setzen kann, beginnt mit der Wahl seines ersten Mitspielers, dann kommt sein Gegenpartner dran usw.. Auszählreime helfen, einen bestimmten Spieler zu finden, z.B. den, der Einschauen muß. Bekannt sind sicher:

Ich und Du, Müllers Kuh, Müllers Esel, der bist DU!

Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, eine alte Frau kocht Rüben, eine alte Frau kocht Speck und Du bist weg.
(Wer letztlich übrig bleibt, der ist "ES").

Ine, ane u und draußt bist Du; draußt bist Du noch lange nicht, mußt erst sagen, wie alt Du bist. (z.B. acht Jahre; dann ist der Achte draußt).

Sua, hol Wein, Gsell schenk ein, Herr, trink aus
und Du bist drauß!

Radl, Radl, aus, wer net rennt, der ist die Maus!
Radl, Radl ein, Du mußt es sein!

Ich kenne eine Frau
die hat Augen wie Kakao,
die hat Haare wie eine Schlange ich kenne sie schon lange.
Sie heißt Zipzipzilip-Zipzilonika.
Und wer das Wort nicht sagen kann, ist nicht frei.

Ecka bocka, mach mir Nocka,
Eier drein und Du mußt's sein.

Will der Schmied ein Roß beschlagen, wieviel Nägel muß er haben ? Fünf - (Der Fünfte ist aus)

Dort auf jener grünen Insel wohnt der alte Lehrer Pinsel, uns sein Hund Powidiurn beißt den Schüler Filium.

Filius, o Schreck und Graus, rennt nach Haus und Du bist drauß!

(1984 Bad Aussee; aus "Der Letzte muß gefangen sein" und "Ringelwurm")

Manche Spiele werden gesungen oder mimisch dargestellt (Dornröschen, Hänsel und Gretel, Ist die schwarze Köchin da? u.a.), es wird getanzt oder geklatscht. Das folgende Beispiel wurde um 1930 von Hans Klöpfer aufgezeichnet (aus "Der Letzte muß gefangen sein"); jeder unterstrichene Buchstabe ist ein Klatscher:

 SCHERENSCHLEIFEN

1 .Scherenschleifen, Scherenschleifen
2. ist die beste Kunst.
3. Die rechte Hand, die linke Hand,
4. die geb ich dir zum Unterpfand.
5. da hast du sie, da nimm du sie,
6. da nimm sie alle beide.

Je zwei Spieler stehen einander gegenüber in einer Doppelreihe oder in einem Doppelkreis:

Zeile 1,: Klatschen mit beiden Händen gegen die Hände des Partners, dann eigene Hände, dann Wiederholung.
Zeile 2: Wie Zeile 1, obwohl zum Schluß eine Silbe fehlt.
Zeile 3: Rechte gegen rechte, dann eigene, dann linke gegen linke und eigene, Zeile 4: wie 3, Zeile 5 wie 3, Zeile 6 wie 1.

Wenn das Sprücherl zu Ende ist, wechseln die Partner. Im oben genannten Buch gehen die Kinder Zeile 1 und 2 gegengleich in den beiden Kreisen.

Bei SCHNEIDER, LEIH MIR D'SCHER

wird ein Spieler ausgelost. Die anderen stehen einzeln bei einem Mal (Baum, Stab, Stein usw.) Der ausgeloste Spieler spricht ein Kind an: "Schneider, Schneider, leih mir d'Scher!" Die Antwort lautet: "Da drüben läuft sie leer". Jetzt wechseln die Kinder ihre Plätze und der Frager muß versuchen, ein Mal zu erreichen. Einer bleibt übrig und ist der nächste Frager. Ähnlich ist auch das Zuwerfen des Balles in einem Kreis, bis ihn der ausgeloste Fänger erwischt; dann muß der in den Kreis, der den Ball zuletzt berührt hat.

Auch das TITSCHKERL-SPIEL ist ähnlich, das A. Aigner in Leibesübungen und Leibeserziehung, Jg VIII, Heft 5, Wien 1954 beschrieben hat.

In SINGSPIELEN

wird eine Geschichte singend und mimisch dargestellt.

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Bei Dornröschen bilden die Kinder zwei Kreise, einen größeren und einen kleineren; in der Mitte steht Dornröschen, außen die böse Fee und der Prinz.

2. Die Kinder warnen mit dem Finger:
"Dornröschen nimmt dich ja in acht, ja in acht Dornröschen nimmt dich ja in acht!
3. Die Fee durchbricht den Außenkreis: "Da kam die böse Fee herein".
4. Die Fee spricht:
"Dornröschen schlafe hundert Jahr."
5. Der Innenkreis ist die Hecke; auch der Außenkreis wächst zusammen. "Da wuchs die Hecke riesengroß".
6. "Da kam ein junger Königssohn" (er durchbricht die Hecken)
7. Er singt "Dornröschen, wache wieder auf".
8. Sie tanzen: "Da machten sie ein Hochzeitsfest".
9. Alle tanzen: "Da war die Freude riesengroß."

Zu den RATE- UND FANGSPIELEN gehört zum Beispiel "DAS FAULE EI":

Die Kinder hocken oder knien im Kreis, Hände auf dem Rücken. Der "schwarze Mann" geht außen um den Kreis herum und legt nach Täuschungen das "Ei" (ein Stück Holz, einen Papierknödel, ein Taschentuch) hinter ein Kind, wobei er spricht: "Dreht euch nicht um, dreht euch nicht um, es geht ein schwarzer Mann herum. Wer sich umdreht oder lacht, dem wird patsch, patsch gemacht". Dann läuft er im Kreis weiter und der Spieler, hinter den er sein Ei gelegt hat, muß ihn fangen. Wenn das gelingt, bevor er sich auf den frei gewordenen Platz setzt, muß er nochmals der "schwarze Mann" sein, ansonsten ist es der Fangende. Der ist es auch, wenn er nicht bemerkt hat, daß das "faule Ei" hinter ihm liegt. Dazu wird er auch noch ausgelacht. Mit "l, 2, 3 faules Ei" wird er zum Wechseln aufgefordert.

PFÄNDERSPIELE sind auch bei Erwachsenen beliebt. Besonders war es so in der Rokkokozeit. Es gibt eine Vielzahl von Formen, die Pfänder und deren Einlösung sind nach dem Alter unterschiedlich. Was soll das Pfand in meiner Hand? Einen Kuß dem Nachbarn, einen Handstand, einmal um das Haus laufen, ein Lied singen und, und, und Möglichkeiten. Ich führe als Beispiel ein Versprechspiel für Kinder an.

Sepp Walter, Graz erinnert sich (aus "Der Letzte muß gefangen sein"):

Der "Bauer" bestimmt die anderen Mitspieler: den Handler, den Hausknecht, den Wiavül, den Sovül, den Sowenig und die Habersäcke zu verschiedenen Preisen (zwei Gulden, fünf Gulden und so fort nach Anzahl der Mitspieler). Jeder Spieler, den der Bauer nennt, muß sofort aufspringen und fragen: "Was wünscht der Herr?" Wenn er den Ruf verpaßt, muß er ein Pfand geben. Werden die Namen aber vom Habersack oder vom Handler genannt, dürfen die Spieler nicht aufstehen. Beispiel:

Der Bauer ruft: "Hausknecht!"
Hausknecht: "Was wünscht der Herr?" und springt auf.
Bauer: "Was kostet der Hafer?"
Hausknecht: "Fünf Gulden!" Der fünf Gulden-Sack bleibt sitzen, weil ihn nicht der Bauer genannt hat.
Bauer: "Fünf Gulden?"
Jetzt springt der 5-Gulden-Sack auf: "Was wünscht der Herr?".

Auch NACHSPRECHSPIELE sind beliebt. Ein schwieriger Text muß rasch und ohne Fehler gesprochen werden. Der Text wird erweitert und erschwert. Wer zögert oder sich verspricht scheidet aus oder gibt ein Pfand.

Ein Beispiel:

Jeder Teilnehmer ist eine Farbe.

A beginnt: "Meine Farbe ist eine schöne Farbe und nicht das häßliche Braun".
Braun: "Meine Farbe ist eine schöne Farbe und nicht das häßliche Weiß" usw.

oder ein bekannnten Nachsprecher: "Fischers Fritz fängt frische Fische; frische Fische fängt Fischers Fritz".

Das HÜPFSPIEL ist bis heute in ganz Europa verbreitet; es hat unterschiedliche Namen: Schlangenkreis, Schneckenhaus, round-hop-sootch. Untersuchungen lassen vermuten, daß das Spiel in die vorchristliche Zeit zurückgeht und auch bei außereuropäischen Völkern zu finden ist, auch dort mit verschiedenen Namen und in vielen Varianten; es kann auch in Schneckenform gespielt werden, in einer ein-oder ausdrehenden Spirale, dem Labyrinth. Das Labyrinthmotiv ist in die früheste Geschichte zurück verfolgbar, es reicht von den Darstellungen im Palast von Knossos zu den mittelalterlichen Kathedralen (Sens, Chartres, Arras, Saint- Quentin, Saint-Bayeux) scheint in den Beschreibungen der Ritterspiele auf Pferden auf und wir finden es auch in Kinderspielen und Volkstänzen. Es ist müßig mythologischen Ursprüngen nachzugehen, denn ihre Bedeutung ist längst verdeckt. Der Grundgedanke ist auch hier der Wechsel vom Leben (Himmel) zum Tod (Hölle) und der wiederkehrende Neubeginn. Die vielfachen Funde in Italien, Schweden, England, Finnland, lassen darauf schließen, "daß im Hintergrund das keltische Erbe der Steinzeit steht" (R. Eihmann, Labyrinthos, ein Beitrag zur Geschichte einer Vorstellung und eines Ornamentes, Athen 1931). In Finnland hat man an die 50 sogenannte "Trojaburgen" gefunden, Labyrinthsteinkreise, die beweisen, wie sehr diese Form verbreitet gewesen ist. Einen Labyrinthtanz beschreibt Vergil im 5. Buch der Aeneis. Bei der Leichenfeier zu Ehren des Helden Beowulf wird im gleichnamigen Epos von einem ähnlichen Reitertanz berichtet. Um aber zu unserem Hüpfspiel zurückzukehren: Es können Zufälle sein, daß "Himmel: Hölle" die Wende im Spiel sind, die Kinder immerwieder zu "neuem Leben" hüpfen; auch die gestellten Bedingungen "nicht sprechen", "nicht lachen" müssen nicht Erinnerungen an eine kultische Handlung sein; Ballspiele, Kreisel, Reifenspiel, Drachensteigen "sind ursprünglich Kulthandlungen gewesen (Jan de Vries, Untersuchungen über das Hüpfspiel hat die "Volkskundecomisie va de Koninkleijke Akademie van Wetenschappen ze Amsterdam" durchgeführt. Dabei zeigt sich, daß sich die Kinder vor allem im Frühjahr mit die- sem Spiel erfreuten. Die ursprüngliche Form dürfte eine Spirale gewesen sein, eine linksdrehende Spirale, der Wendepunkt war die Mitte der Spirale. Diese Spirale erscheint auch heute nicht nur als Schmuckmotiv, sie ist auch bei neuen Brettspielen ersichtlich. Die vorgezeichneten Felder müssen hüpfend durchsprungen werden, wobei ein Stein, ein Holzstück oder Ähnliches von einem Feld zum nächsten geschoben wird, aber nicht auf die Randlinie oder darüber hinaus fallen darf. Da gibt es viele Varianten, um das Spiel spannender zu machen. Wer alle Bedingungen erfüllt, ist Meister. Ich führe ein Beispiel an; jeder Durchgang muß folgend ausgeführt werden:

1. Durchgang: Mit dem rechten Fuß hüpfen
2. Durchgang: In den Feldern abwechselnd auf dem rechten oder linken Fuß stehen
3. Durchgang: Mit beiden steif aneinander gepreßten Seinen hüpfen
4. Durchgang: Mit dem linken Fuß hüpfen, den rechten mit der rechten Hand halten
5. Durchgang: gegengleich
6. Durchgang: Hüpfen mit einem Steinchen auf dem Fuß usw.

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Alice S. Gomme berichtet in ihrem Buch "The traditional games of England, Scotland and Ireland" 1, 1894, S. 223ffl, wie das Spiel erschwert wird, daß man den Stein auf dem Fuß, auf der Hand, auf dem Handrücken, auf dem Kopfe, auf der Stirn usw. tragen muß und auch, daß dabei nicht gesprochen oder gelacht werden darf. Im Schneckenhaus wird gewöhnlich nicht ohne Stein gehüpft, im Wendepunkt muß mit beiden Beinen aufgesprungen werden.

Einige Beispiele aus der Amsterdamer Untersuchung:

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Haiding (Kinderspiele und Volksüberlieferung) weist auf Spiele "der schwinden- den und wachsenden Zahl" hin. Dabei wird eine Spielgruppe vermehrt oder verkleinert, wie bei "Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann". Alle rufen "niemand". Jetzt müssen alle die Felder wechseln und der "schwarze Mann" versucht einen oder auch zwei Läufer zu fangen. Die sind nun auch schwarze Männer und helfen beim nächsten Wechsel, Läufer zu fangen. Einer bleibt übrig und ist der nächste "schwarze Mann". Haiding schreibt: "Die schwindende und wachsende Schar soll das Wachsen und Schwinden des Mondes darstellen". Er zieht dabei Parallelen zu Märchen und Reigentänzen, wo auch die Beteiligten von einer Schar zur anderen wandern ("von der Diesseitswelt in die Jenseitswelt" und zurück), manchmal an einem Gebrechen erkannt werden, sie hinken etwa oder haben einen Buckel oder sind verwundbar (wie Siegfried).

Weil Kinder bewegungsfreudig sind, erfreuen sie sich an REIGEN- und TANZ- SPIELEN, Freude und Übermut drängen zur Gestaltung. Auch Tanz aus geistiger oder spiritueller Verzückung, als Beschwörungs- oder Bannzauber findet sich nicht nur in den alten Felsritzungen und Malereien. Auch heutzutage wird versucht, das Unbekannte, Bedrohliche zu besänftigen, zu bannen, die angewandten Mittel haben sich geändert. In manchen Jahreszeitenbräuchen ist uns altes Denken greifbar nahe, in den Video- und anderen Spielen, aber auch im fesselnden Treiben mancher Zirkel, Runden, Sekten und Clubs wird es gefährlich wieder lebendig. Die Grenze zwischen magischem Aberglauben und erkennbarer Wirkung natürlicher Kräfte ist leider leicht verwischbar.

Auch in den bekannten BALLSPIELEN finden wir diesen Wechsel von einer Schar in die andere, von einer Seite auf die andere. Ich erwähne das Völkerballspiel; auch da haben die Spieler "ein Leben", manchmal auch zwei. Als Bub habe ich ein dem amerikanischen Baseball ähnliches Schlagball gespielt: Zwei Parteien stehen einander gegenüber. Die Ballschläger stehen hinter einer markierten Linie. Nacheinander darf jeder von ihnen mit einem ca. 80cm langen Stock einen Tennisball weit ins feindliche Feld schlagen; er hat drei Versuche frei. Wenn er den Ball günstig trifft, darf er durch das feindliche Feld zu einem Mal (Baum, Stock) laufen, um sich dort ein neues Leben (Schlagrecht) zu holen. Er kann dort auch bleiben und darauf warten, daß der Ball wieder geschlagen wird, dann darf er (und andere Mitläufer) versuchen, hinter die heimatliche Linie zu ge- langen, denn wenn er abgeschossen wird, erfolgt Feldwechsel. Dabei können die Fänger noch einmal einen Gegner abschießen, und es erfolgt wieder ein Felderwechsel. Auch "verhungern" kann die Schlagmannschaft, wenn keiner der Schläger den Ball trifft und keiner sich ein neues Leben geholt hat. Es können auch mehrere Schläger gleichzeitig laufen; wenn niemand läuft, geht der Ball zurück und sollte ein Läufer unterwegs sein, muß er stehen bleiben, sobald der Ball die Linie überfliegt oder rollt.

Manche wiederkehrende Besonderheiten in den Spielen regen freilich zu Überlegungen an, ob und wie es Zusammenhänge zu alten Mythen gibt (Haiding besonders, aber auch andere weisen darauf hin). Das oft ausgesprochene Verbot zu lachen, das Springen über den Strich (von einer Welt in die andere), das Laufen durch die Reihe der Schlagenden (Durchgang von einem Sein in ein anderes Sein), die Stellung von Engel und Teufel, Himmel und Hölle, die Befragung eines von der Gruppe Weggeholten u. a. läßt leicht Beziehungen zu Märchen er- kennen; Haiding nennt es "als gesetzmäßig gegliederte Zwei-Welten-Spiele", wo der verzauberte Prinz von der Hier-Weit in eine andere wechselt, sich verwandelt, die Prinzessin hundert Jahre schläft, der Pferdekopf an der Wand spricht, die Geißlein oder Rotkäpchen aus der finsteren Höhle des Bauches zurückkehren usw. (Ich verweise auch auf das Heft 23 der"Mitteilungen").

Als es noch kein Radio, kein Kino, keine Disco, keine Computerspiele und kein Fernsehen gab, vertrieben sich Erwachsene und Kinder mit Spielen die arbeits- freie Winterzeit. Franz Kopp hat in seinem Buch "Alpenländische Bauernspiele 2 eine Vielzahl solcher, oft derber oder geschickter Spiele aufgezeichnet; zwei bekanntere führe ich an:

BÄCKER, WAS BRAUCHST?

Zwei Spieler haben einander den Rücken zugekehrt und halten mit ihren Händen einen längeren Stecken unter ihren gegrätschten Beinen. Vor dem einen, dem Bäcker, steht ein Holzscheit, eine Flasche oder eine schmälere Schachtel, die den Ofen darstellen soll. Der andere Spieler fragt: "Bäcker, was brauchst?" Antwort: "Nix wia Semmeln und Weckn." "Gibst mir eine?" "Na, i geb dir keine". "Dann renn i dir den Ofen ein!" Der Abgewiesene versucht nun, mit dem Stock den Ofen zu treffen, der Bäcker verteidigt ihn. Wenn der Ofen umfällt, werden die Rollen gewechselt.

KADERN TRATZEN (Kater reizen):

Drei Spieler sitzen auf einer Bank, alle sehen in dieselbe Richtung, die Oberschenkel sind an die des inneren Spielers gepreßt. Dieser hat einen Besenstil oder einen längeren Stecken zwischen seinen Knien eingeklemmt. Er knurrt wie ein Kater und fährt mit den Händen am Stecken auf und ab. Plötzlich schlägt er mit der flachen Hand fest auf den Oberschenkel eines Nachbarn. Dieser darf ihm (aber nur im Bereich seines Oberschenkels) auf die Hand klopfen. Meist gelingt es ihm nicht, wenn aber doch, erfolgt ein Rollenwechsel).

Frau Schnur Ingeborg aus Waldbach kennt viele der hier genannten Spiele aus ihrer Jugendzeit und nennt dazu den HAHNENKAMPF. Zwei Spieler oder Spielerinnen stehen sich gegenüber, haben die Arme verschränkt und sollen, auf einem Bein hüpfend, sich aus dem Gleichgewicht bringen; wer mit dem zweiten Fuß den Boden berührt, scheidet aus.

ZUR SUPPE, ZUR SUPPE, DIE KNÖDEL SIND HEISS

Alle Spieler stehen gebückt um einen Ball und beschwören den Ball in der Mitte mit Handbewegungen und obigem Spruch; der Spielleiter ruft plötzlich den vor- her ausgemachten Pseudonamen eines Mitspieler (Städtenamen, Ländernamen, Blumennamen, Tiernamen usw.). Der Aufgerufene muß den Ball schnappen und einen der fliehenden Mitspieler treffen; gelingt es, so ist der Getroffene der nächste Spielleiter. (Ilse Strauß hat das Spiel in Graz gespielt).

Bedanken muß ich mich auch bei den Schülern und Schülerinnen der Klassen 1.a und 2.a der Bundesanstalt für Kindergartenpädagogik die mit Mag. Hans Trsek mich auf der Spielesuche begleitet haben, wobei wir entdeckten, wieviele Spiele lebendig sind.

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DER KAISER SCHICKT SOLDATEN AUS

(berichtet von Maria Wieser und Ilke Göksungur, beide Hartberg): Zwei Gruppen werden gewählt, der jeweilige Anführer ist der Kaiser. Die zwei Gruppen stehen sich in einem Abstand gegenüber, geschlossene Handfassung. Ein Kaiser beginnt: "Der Kaiser schickt Soldaten aus und schickt dabei die Lisi aus". Diese läuft und versucht die feindliche Linie zu durchbrechen; gelingt das, dann ist ein Gegenspieler gefangen, wenn nicht, dann ist nun Lisi Mitglied der Gegenpartei. Sieger ist, wer zum Schluß die meisten Spieler hat (sieh auch Bild)

 

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Zum BRÜCKENSPIEL und TEMPELHÜPFEN berichten Kaufmann Christine und Moser Magdalena Varianten, die sie von ihren Müttern kennen:

Die Felder werden gezeichnet. Der Spieler wirft einen Stein in ein Feld, dann hüpft er (auf einem Sein) bis zum Stein, hebt ihn auf und hüpft zurück. Wenn er das ohne Fehler geschafft hat (keine Linie berühren, das zweite Bein nicht auf den Boden stellen), dann gehört das Feld ihm, sein Name oder ein Zeichen wird hinein geschrieben und kein anderer Spieler darf es betreten. Sieger ist, wer zu- letzt die meisten Felder besitzt.

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MEI VODDA IS A RADLMOCHA: Alle Spielenden legen ihre Hände auf eine Fläche. Der Spielemacher sagt den Spruch: "Mei Vodda is a Radimocha, wie vüll Radln mocht er anan Tog, rot amol?" und zählt dabei silbenmäßig die liegenden Finger durch. Bei wem er stehen bleibt, der sagt eine Zahl. Dann wird weiter gezählt und der Finger, den es trifft, muß aus dem Spiel (eingezogen werden). Sieger ist, wer am Schluß die meisten Finger im Spiel hat (Edina Pirchheim aus Neudorf bei Pischelsdorf).

PANSCHERLTREIBEN (ebenfalls Pirchheim Edina): Das"Panscherl" ist ein kleines Holzstück. Jeder Spieler hat einen Stock und vor sich ein kleines Loch in die Erde gegraben. Einer ist der "Panscherltreiber" und versucht, das Panscherl in ein Loch zu bringen, die anderen versuchen, dies mit ihrem Stock abzuwehren. Bei wem das Panscherl einlocht, der ist der nächste Treiber.

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Das ELEFANTENSPIEL haben sich die Kinder des Übungskindergartens der KIPÄD selbst erdacht.:

Ein Kind faßt seine Nase mit den Fingern der rechten Hand, die linke wird durch das "Fenster" gegeben. Nun muß der Spieler Kinder fangen. Wen er erwischt, der ist der nächste "Elefant".

Formen, Malen und bauen sind wichtige Erfahrungen Übungskindergarten KIPÄD

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BEWEGUNGS- UND ERSTARRUNGSSPIELE:

KAISER (MUTTER) WIE WEIT DARF ICH REISEN

Eine Spielerin oder ein Spieler schaut ein (steht mit dem Gesicht zur Wand); die anderen Kinder sollen sich nach der gegebenen Weisung nähern. Wer zuerst Mutter oder Vater berührt, darf ihre (seine) Stelle einnehmen: Die Kinder rufen: "Mutter (Vater, Kaiser), wie weit darf ich reisen?" Antwort nach freier Ansage: "Zwei Schritte", oder"einen Froschhupfer", oder"7 Zwergerlschritte", oder"Drei Zweibeinhopser" usw. Wer zuerst den Ansager, die Ansagerin berührt ist es das nächste Mal (berichtet von Reindl Birgit, Blaindorf).

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ZIMMER, KÜCHE, KABINETT

Ein Kind schaut ein und sagt den Spruch: "Zimmer, Küche, Kabinett, hinterm Ofen steht ein Bett". Solange es spricht, dürfen sich die anderen Kinder von einer festgesetzten Grenze aus ihm nähern. Nach "Bett" dreht sich der (die ) Sprechende um und wer noch in Bewegung ist, muß hinter die Anfangslinie zurückgehen. Wer zuerst den Sprechenden berührt, nimmt dann seine Rolle ein

(siehe Bild).

RATESPIELE sind beliebt: WAS PACKST DU IN DEINEN KOFFER?

Ein Fragegebiet wird festgelegt: Städte, Personen, geschichtliche Ereignisse u. ä. Ein Spieler muß hinausgehen; die anderen legen sich auf einen Gegenstand, eine Person oder ein Ereignis in dem genannten Bereich fest. Der Fragende darf hereinkommen und beginnt: "Was packst Du in Deinen Koffer?". Es folgt eine umschreibende Antwort, solange, bis die richtige getroffen wird. Frau Schnur aus Waldbach kennt dazu folgendes Sprücherl: "Mei Zodawaschl is ... ". Es folgt die Frage, die mit nein oder ja beantwortet wird, solange bis die richtige Antwort kommt.

Es ist wie geplant wieder ein Bedenkheft geworden. In unserer bildreichen Welt, die sich sehr oft auf einem Bildschirm abspielt, werden wir verleitet, an der Oberfläche zu bleiben. Deshalb beschließe ich diesen Ausflug in die Spielewelt mit dem bekannten "Ringa, ringa, reia". Die Kinder lernen es als eines der ersten Spiele und hier sind die geheimnisvollen "Rückerinnerungen" am deutlichsten: Die Dreiheit der Handelnden und unter dem Baum an den Wurzeln der einen und

der anderen Wirklichkeit: Die Kinder gehen im Kreis, Hände gefaßt, singen und bei "mach ma alle husch, husch, husch", das gerufen wird, setzen sich alle nie- der oder fangen einen Mitspieler und setzen sich dann nieder:

Literaturnachweis:

Alpenländische Bauernspiele, Franz KOPP; Verlag f. Jugend u. Volk, Wien 1925
Glück im Spiel zu allen Zeiten, Jerzy GIZYCKI u. Alfred GORNY-, Sport i Turystika Warschawa; Stauffacher V. Zürich 1970
Homo Ludens, Der Spielende Mensch 1 - IV; Internat. Beiträge des Institutes der Hochschule"Mozarteum" Salzburg, Verlag E. Katzbichler, München-Salzburg 1991-1994
Kinderspiele und Volksüberlieferung, Karl HAIDING; Hoheneichverlag München
Der Letzte muß gefangen sein, überlieferte Kinderspiele aus der Steiermark, ausgewählt von Doris SAUER, kommentiert von Christine KODRITSCH, Kleine Schriften Verein Schloß Trautenfels, 1990
Reigen- und Kettentanzformen in Europa, Richard WOLFRAM; Deutscher Bundesverband Tanz e. V., Berlin 1986
Der Ringelwurm, Rudolf LHOTKA, Überliefertes Tanzgut für Kindergarten- und Volksschulalter;
NO Bildungs- und Heimatwerk 1988
Ringa, Ringa, Reia-Kinderlieder und Kinderspiele, Josef LECHTHALER; Osterr. Bundesverlag, Wien 1946
Ringel, Rangel, Rosen, Fritz JODE; Verlag Teuber, Leipzig 1913
Spiele und Spielzeug in der Antike, Landesmuseum für Vor- und Frühgeschichte, Graz 1993
Singt fröhlich mit, Rudolf SCHWARZ und Emil SEIDL; Leykam Graz-Wien 1968
Sing mit uns, Walter DEUTSCH, Christine GAUSTER-Erhard WÜRZL; Österr. Bundesverlag, Wien 1971
Die Spiele, Friedrich Georg JÜNGER; Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt a. Main 1953
Tanzspiele, Dieter GRANDE; Dr. H. Buchner Verlag, München
Untersuchungen über das Hüpfspiel, Jan de VRIES, Helsinki 1957
Die Volkstänze in Österreich und verwandte Tänze in Europa, Richard WOLFRAM; 0. Müller Verlag, Salzburg 1951
Spiel mit, Penelope; Spiele und Spielzeug der Antike.
Katalog zur Ausstellung im Joanneum Graz, 1993
Volkskunst heute, Jg. 5, 1986, Heft 1 + 2; Der Tanz und seine österreichischen Erscheinungsformen, LAGER Herbert

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